Typ mit Locken
Winter in Berlin -> es ist "hell" von 11 bis 15 Uhr --> hässliche, frierende Menschen hasten wütend und kaputt durch die Straßen -> Matschepampe statt Schnee --> viel Alkohol --> kommt man aus dem Club denkt man es ist Nacht, dabei ist der Folgetag schon angebrochen und auf ewig verloren.
Man kennt die Litanei, sie hat große Tradition. Kein Mensch, der in Berlin wohnt und ab und an schreibt, hat ihn bisher unerwähnt gelassen, den Berliner Winter.
Gerne und wintergefrustet möchte ich in die selbe Kerbe hauen und ein weiteres Teilchen zum tristen Mosaik hinzufügen: Die Aggression durch U-Bahnfahren. Sie beschleunigt das Abnehmen der Lebensqualität und das Zunehmen der Misanthropie im Winter nämlich noch um ein Vielfaches.
Auch im Sommer ist sie latent vorhanden, doch im Winter bricht sie vollständig durch und erblüht in vollster, heißglütiger Pracht. Das Eingepferchtsein im Viehwaggon im Sommer ist nicht so schlimm. Es ist heiß, man öffnet die Fenster, es saust und braust, es herrscht gute Laune.
Während des Winters aber wird man zu kuschelnder Interaktion mit den vielen frierenden Menschen gezwungen, die binnen Minuten zu schwitzenden Menschen werden, weil sie soviel anhaben, aber auch nichts ausziehen können, weil es so eng ist. Sie zerren und zuppeln ein wenig an den Reissverschlüssen ihrer Anorake (Anoraken? Anoraki?) und Mäntel, rempeln dabei den nebenstehenden Kaffeetrinker an, dem das Gebräu aus dem Styroporbecher schwappt, oder versuchen an kratzigen Wollshawls herumzerren, um dem geschwollenen Hals und der gereizten Haut Erleichterung zu verschaffen.
Mit der anderen Hand angeln sie nach dem aufgeweichten Taschentuch in den Tiefen ihrer bonbonpapierknisternden Jackentasche und schnauben die triefende (weil Wechsel von kalt nach warm) Nase, während Nachbars Bier- oder Dönerwolke sie zart und doch fordernd umhüllt. Überhaupt, Bier: Es wird früher dunkel, kann man früher trinken, muss man auch in der Ubahn machen, geht nicht zuhause oder auf dem Bahnsteig.
Und der obligatorische, nass gewordene Hund, welcher der ganzen U-Bahn-Misere zu Füßen liegt, müffelt auf seine hündische Art vor sich hin und stößt mit der freudig emporgereckten Sabberschnauze an Knie, die zu eng stehen um ausweichen zu können.
Nun kommt der Typ mit den Locken ins Spiel, wie in der Überschrift angekündigt. Ihn habe ich NICHT an einem solchen Winterabend in der U-Bahn gesehen! Als ich ihn traf, war das Winter-Unheil noch nicht losgebrochen. Es ward angenehmer Herbst, vielleicht sogar Altweibersommer. Es war nicht zu kalt und nicht zu warm im Waggon, kein Bier- oder Hundeatem verpestete die Luft.
Was ich sagen will: Man hätte vollkommen ausgeglichen sein können, hätte nicht ER die Bahn betreten.
Er war klein (naja was ich als klein bezeichne, um die 1,75), etwas gedrungen und hatte krauses, sehr langes Haar, das ihm in gegelten Löckchen die Schultern herabfiel. Seine großen blauen Augen und der breite Grübchenmund waren ganz schön, aber die Haare allein machten dies Positive zunichte. Was tat er? Er belaberte, berieselte, bequatschte seinen Gesprächspartner. Falsch: Er quälte ihn, und damit die ganze U-Bahn. Er war eine Nervensäge. Die Stimme quäkig, nasal und laut, die Inhalte hirnzersetzend und wirklich leider peinlich (er sprach auf englisch über die anstehende US-Wahl) ohne einen Hauch von Feingefühl für die Schmerzgrenzen anderer.
Zusammenfassung: Es war kein Berliner Winterabend, ich war entspannt, und dennoch brachte der Typ mit den Locken mich auf die Palme.
Wegen dieses starken Eindrucks, den er auf mich gemacht hatte, erkannte ich ihn wohl auch sogleich wieder, als ich ihn im Fernsehen sah. Ich sah (rein zufällig oder aber aus investigativen Gründen) gerade Unterschichts-TV, nämlich eine "Reportage" über das "Supertalent 08". Es ging um die Frage, ob es für Yoyo und (ich habe ihren Namen vergessen) nicht schädlich sei, in so frühen Jahren soviel Erfolg zu haben. Tja, und dann kam er ins Bild marschiert.
Er ist jetzt 17, aber seit seinem 4 Lebensjahr war er ein Piano-Wunderkind. Marc Friedhöfer oder so. Ich habe den Namen vergessen, da nutzte alle Google-Assoziation nichts.
Von klein auf war er nie so pro soziale Beziehungen, sondern eher für's Klavier. Wirklich haarsträubend, die Aufnahmen von ihm als 9-jähriger, wie er ganz erwachsen davon spricht, dass er nun einmal anders sei als die anderen Kinder und dass das Klavier unterm Strich immer vorzuziehen sei.
Nach dieser Sendung war ich wieder schlauer.
Man kennt die Litanei, sie hat große Tradition. Kein Mensch, der in Berlin wohnt und ab und an schreibt, hat ihn bisher unerwähnt gelassen, den Berliner Winter.
Gerne und wintergefrustet möchte ich in die selbe Kerbe hauen und ein weiteres Teilchen zum tristen Mosaik hinzufügen: Die Aggression durch U-Bahnfahren. Sie beschleunigt das Abnehmen der Lebensqualität und das Zunehmen der Misanthropie im Winter nämlich noch um ein Vielfaches.
Auch im Sommer ist sie latent vorhanden, doch im Winter bricht sie vollständig durch und erblüht in vollster, heißglütiger Pracht. Das Eingepferchtsein im Viehwaggon im Sommer ist nicht so schlimm. Es ist heiß, man öffnet die Fenster, es saust und braust, es herrscht gute Laune.
Während des Winters aber wird man zu kuschelnder Interaktion mit den vielen frierenden Menschen gezwungen, die binnen Minuten zu schwitzenden Menschen werden, weil sie soviel anhaben, aber auch nichts ausziehen können, weil es so eng ist. Sie zerren und zuppeln ein wenig an den Reissverschlüssen ihrer Anorake (Anoraken? Anoraki?) und Mäntel, rempeln dabei den nebenstehenden Kaffeetrinker an, dem das Gebräu aus dem Styroporbecher schwappt, oder versuchen an kratzigen Wollshawls herumzerren, um dem geschwollenen Hals und der gereizten Haut Erleichterung zu verschaffen.
Mit der anderen Hand angeln sie nach dem aufgeweichten Taschentuch in den Tiefen ihrer bonbonpapierknisternden Jackentasche und schnauben die triefende (weil Wechsel von kalt nach warm) Nase, während Nachbars Bier- oder Dönerwolke sie zart und doch fordernd umhüllt. Überhaupt, Bier: Es wird früher dunkel, kann man früher trinken, muss man auch in der Ubahn machen, geht nicht zuhause oder auf dem Bahnsteig.
Und der obligatorische, nass gewordene Hund, welcher der ganzen U-Bahn-Misere zu Füßen liegt, müffelt auf seine hündische Art vor sich hin und stößt mit der freudig emporgereckten Sabberschnauze an Knie, die zu eng stehen um ausweichen zu können.
Nun kommt der Typ mit den Locken ins Spiel, wie in der Überschrift angekündigt. Ihn habe ich NICHT an einem solchen Winterabend in der U-Bahn gesehen! Als ich ihn traf, war das Winter-Unheil noch nicht losgebrochen. Es ward angenehmer Herbst, vielleicht sogar Altweibersommer. Es war nicht zu kalt und nicht zu warm im Waggon, kein Bier- oder Hundeatem verpestete die Luft.
Was ich sagen will: Man hätte vollkommen ausgeglichen sein können, hätte nicht ER die Bahn betreten.
Er war klein (naja was ich als klein bezeichne, um die 1,75), etwas gedrungen und hatte krauses, sehr langes Haar, das ihm in gegelten Löckchen die Schultern herabfiel. Seine großen blauen Augen und der breite Grübchenmund waren ganz schön, aber die Haare allein machten dies Positive zunichte. Was tat er? Er belaberte, berieselte, bequatschte seinen Gesprächspartner. Falsch: Er quälte ihn, und damit die ganze U-Bahn. Er war eine Nervensäge. Die Stimme quäkig, nasal und laut, die Inhalte hirnzersetzend und wirklich leider peinlich (er sprach auf englisch über die anstehende US-Wahl) ohne einen Hauch von Feingefühl für die Schmerzgrenzen anderer.
Zusammenfassung: Es war kein Berliner Winterabend, ich war entspannt, und dennoch brachte der Typ mit den Locken mich auf die Palme.
Wegen dieses starken Eindrucks, den er auf mich gemacht hatte, erkannte ich ihn wohl auch sogleich wieder, als ich ihn im Fernsehen sah. Ich sah (rein zufällig oder aber aus investigativen Gründen) gerade Unterschichts-TV, nämlich eine "Reportage" über das "Supertalent 08". Es ging um die Frage, ob es für Yoyo und (ich habe ihren Namen vergessen) nicht schädlich sei, in so frühen Jahren soviel Erfolg zu haben. Tja, und dann kam er ins Bild marschiert.
Er ist jetzt 17, aber seit seinem 4 Lebensjahr war er ein Piano-Wunderkind. Marc Friedhöfer oder so. Ich habe den Namen vergessen, da nutzte alle Google-Assoziation nichts.
Von klein auf war er nie so pro soziale Beziehungen, sondern eher für's Klavier. Wirklich haarsträubend, die Aufnahmen von ihm als 9-jähriger, wie er ganz erwachsen davon spricht, dass er nun einmal anders sei als die anderen Kinder und dass das Klavier unterm Strich immer vorzuziehen sei.
Nach dieser Sendung war ich wieder schlauer.
evakoeppen - 11. Dez, 09:58