Limas Gesichter II

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Dieses allzu triste und überaus politisch korrekte Blog verdrängt natürlich die schönen Seiten von Lima. Aus diesem Grunde werden nun mal ein paar sonnigere Fotos gepostet.
eva-240Die letzte Woche war ich in Campoy. Dort habe ich im Kindergarten "Mama Elsa" gearbeitet (Teil von der Organisation "Solidaridad Peru-Alemania"). Mit den Kleinsten komme ich am Besten klar, weil die sowieso mehr über Gesten als über Sprache kommunizieren. Dennoch ist die erste Woche generell hart, weil alle zu ihrer Mama wollen und heulen und greinen. Da ist mir mal wieder eingefallen, dass ich mich als kleines Kind immer dagegen gewehrt habe, andere Kinder kennenzulernen. Ich fand es total ungerecht, von den Erwachsenen zu dieser sozialen Interaktion gezwungen zu werden, bspw. wenn die Eltern ein anderes Elternpaar besuchten. Ich hatte immer den Eindruck, dass es Erwachsene viel leichter haben, sich kennenzulernen. Warum? Weil sie kommunikative Regeln haben, an denen sie sich langhangeln können. Bei uns Kindern hiess es nur immer "so und jetzt spielt schön zusammen". Und dann sass man da und glotzte sich doof an und alles war peinlich.

eva-248Abgesehen davon unterscheidet sich der peruanische insofern von einem deutschen Kindergarten, als dass viel getanzt wird. Wirklich viel, und zwar richtig: Samba und so. Deswegen war ich nach vier Stunden Arbeit auch reif für die Siesta. Tanzen in der knallenden Hitze im Patio, am Besten noch mit einem "Mama" brüllenden Drecksspatz auf dem Arm, das zehrt an einem. Dennoch ein schöner und erfüllender Beruf. Wären da nicht die vielen schlimmen Geschichten der Kinder. Sie kommen aus normalen peruanischen Familien, untere Mittelschicht würde ich sagen, und ganz eindeutig herrscht in ca. 70% der Fälle Gewalt und Unordnung. Es gibt keine festen Zeiten für das Essen, für Schlafen etc. Deswegen wird morgens mit Marschieren angefangen, was ich anfangs etwas verstörend fand (vor allem den Text des dazugehörigen Liedes: "Ich bin ein peruanischer Soldat, ich verteidige mein Land", gesungen von einem Kind), dann aber doch als ganz einleuchtend erachtete.
eva-191Nach dem Kindergarten gehe ich ins Institut, esse mit den Lehrern und mache das, was gerade anliegt. Von Kaninchenfutter kaufen über den Doktor zu Veranstaltungen begleiten bis hin zu Schwimmbecken reinigen ist da alles dabei.
Gewohnt habe ich wieder bei der jungen Mutter. Sie ist in meinem Alter und hat eine 2jährige Tochter. Ich dachte, mir ihr kann ich nach der Arbeit ganz gut entspannen. Pustekuchen! In den wenigen Tagen hat auch sie sich als Teil des Projekts entpuppt. In mehreren nächtelangen Gesprächen sind schlimme Sachen zu Tage getreten. Ihrer Aussage zufolge hat sie noch nie mit jemandem drüber geredet ausser dem Priester. Und zwar: Nicht nur hat der Vater ihrer Tochter sie sitzen lassen und zahlt nicht (und sie verklagt ihn nicht! Alltag in Peru). eva-270Sie wurde darüberhinaus als Kind von ihrem Onkel sexuell belästigt und fürs Schweigen bezahlt (auch das leider Alltag, wie ich erfahren musste). Schlimmerweise kenne ich den Onkel auch noch und musste teilweise mit ihm arbeiten. Schwierige Situationen. Sie ist sehr religiös und was sagte der Priester ihr, als sie ihm die Attacken des Onkels beichtete? "Lass es dabei beruhen und gefährde nicht den Frieden der Familie." Na super! Oh Marx, du alter Ganove, ich werde nochmal über dich nachdenken.
Jedenfalls hat sie ihre Thesis (Abschlussarbeit Lehramt) nicht geschrieben, weil sie Angst vor einem der männlichen Lehrer hatte (ich weiss nicht, ob diese Angst gerechtfertigt ist oder ihrem Trauma entspringt. Aber so, wie ich die peruanische Männerwelt bisher erlebt habe, muss ich sagen: ich tendiere dazu, dem Mädchen Glauben zu schenken. Auch ich habe so meine Erfahrungen mit den Lehrern gemacht, die kennen keine Zurückhaltung.).
Naja, in den wenigen Tagen habe ich die ganze grosse Familie kennengelernt und auf komplizierte Weise hängt alles miteinander zusammen, auch mit meiner Arbeit und dem Institut und am liebsten würde ich sie alle versammeln und erzählen was eingentlich los ist aber das geht wohl nicht.
Florian Schmitz (Gast) - 20. Mär, 19:36

Sag mal olle (thanks for reading my essay, by theway.. your comments were and always will be helpful and intereseting to me ;-)), bisse nich bald wieder am Start? Neben mir ist eine 1-Zimmer-WOhnung frei. Wäre es nicht traumhaft, wenn du dort leben tätest?

caro (Gast) - 25. Mär, 05:29

von wegen...

...eva, du kommst jawohl schön brav nach hause. und wir werden gemeinsam zumindest noch ein paar monate älter.

Drei Grammophone

Von allen Institutionen befreites, hemmungsloses Assoziieren.

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von wegen...
...eva, du kommst jawohl schön brav nach hause. und...
caro (Gast) - 25. Mär, 05:29
Sag mal olle (thanks...
Sag mal olle (thanks for reading my essay, by theway.....
Florian Schmitz (Gast) - 20. Mär, 19:36

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