Freitag, 13. Februar 2009

Into the wild

Endlich weiss auch Klein-Eva was ein Kulturschock ist. Und kommt nicht mehr auf den Gedanken, dass alles auf der Welt immer wieder klappt und funktioniert. In Lima funktioniert, gelinde gesagt, nichts. Keine Metro. 10 Millionen Einwohner, davon 8 Millionen arm. Und teilweise wirklich arm, mit Papphuetten die regelmaessig abbrennen weil die Leute wegen nichtvorhandenem Strom Kerzen benutzen muessen.

Aber von vorne. Ich lebe bei Ruben, den ich seinerzeit in Madrid kennengelernt habe, weil Lisa ihn fotografiert hat, und seiner Familie. Callao ist ein Stadtteil von Lima, die Gegend heisst Santa Cruz. Es ist nicht die allerschlimmste Gegend, aber auch keine, in der sich eine Gringa wie ich einfach so frei bewegen kann. Die naechsten Tage werde ich erstmal immer in Begleitung der Familie sein und dann weitersehen. Ich muss wirklich wie ein Alien auf die Leute wirken. SO riesig und so blond. Ich poste bald mal Fotos in denen der eklatante Groessenunterschied deutlich wird. Und dabei hasse ich es so sehr, aufzufallen.

Rubens Familia ist das egal, sie nehmen so ein Monsterlein wie mich offensichtlich mit Freuden auf! Kaum war klar, dass ich laenger bleiben werde, sind 2 Brueder stillschweigend losgefahren und haben eine neue Matratze gekauft. Mir ist das wirklich unangenehm, zu wissen dass sie selbst so wenig haben und mir so viel geben. Geld wollen sie nicht. Das muss ich ihnen vielleicht unter die Kopfkissen stecken wenn ich abreise.
Aber Alberto, der Vater, meinte heute auch zu mir, er will einfach nur viele Kinder um sich haben und in Gesellschaft leben, das macht ihn ruhig und gluecklich und nicht der Komfort.

Die Familie bedeutet echtes Hirntraining fuer mich. Da ist Clementina, die Mama. Alberto, der zweite Mann. Und dann diverse Kinder aus dieser Verbindung und auch aus anderen Verbindungen... Naja, hier wohnten wohl einst 9 Geschwister, jetzt nur noch 7. Aber so genau ist das noch nicht zu durchschauen, denn ein paar haben schon Kinder, die sind auch oft da, und dann kreuzen Kinder vom ersten Ehemann auf. Also, ich gebe mir Muehe mit den Namen.

Sprachlich klappt es ganz gut. Wenn ich nicht gerade mit einem der schuechternen Brueder spreche, oder Clementina laechelnd spricht und sich die Hand vor den Mund haelt (ihr fehlen viele Zaehne), dann verstehe ich alles recht gut und kann meinen klaeglichen Teil zur Unterhaltung beitragen.

Sie sind wirklich sehr arm hier. Die Armut wird vom Staat noch unterstuetzt: Ab 22 Uhr gibt es kein Wasser mehr, Krankenversicherung und Bildung fuer alle gibt es nicht etc.
Heute habe ich mit der Familie einen Ausflug an den Strand gemacht, ins bessere Viertel La Punta. Dort gibt es ueberall Polizei und Seguridad und ich habe auch endlich mal ein paar artverwandte Gringos gesehen. Die Haeuser sind sehr schoen und alles ist heile. Man fuehlt sich gleich viel sicherer, aber das hoert auf sobald man die Bezirksgrenze zu Callao uebertritt.

Glueklicherweise hat Ruben unendlich viele Buecher. Vorhin habe ich ein wenig Thomas Mann auf Spanisch gelesen, das war lustig. Ansonsten lese ich das fahle Feuer von Nabokov und finde es ganz toll. Aber gleichzeitig muss ich mehr ueber Perus Geschichte lernen. Ruben erzaehlt immer soviel, kann das gar nicht alles behalten. Deswegen habe ich heute auch eine Wikipedia-Stunde eingelegt. Danach konnte ich immerhin Rubens Vater darueber belehren, dass Perus drei grosse Verbrecher Abimael Guzman , Victor Polay und Vladimiro Montesinos ironischerweise nebeneinander einsitzen - waren sie doch im Buergerkrieg die groessten Feinde. Sie alle mordeten bis in die 90er hinein und machten auch vor der Zivilbevoelkerung nicht halt. Die einen als Guerilla-Kaempfer, der andere als Staatsdiener. Vargas Llosa-Leser wie Papa werden jetzt wissend nicken. Und wo sitzen sie? Genau, bei uns um die Ecke im Marine-Gefaengnis Callao.

Morgen oder am Montag werde ich mich mit einer Orga-Frau treffen, die hier in Lima Haeuser fuer Arme bauen. Eigentlich wollte ich ja mehr was paedagogisches machen, aber ein bisschen koerperliche Arbeit ist natuerlich auch nicht schlecht.

Drei Grammophone

Von allen Institutionen befreites, hemmungsloses Assoziieren.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Just want to say Hello.
Very nice article, exactly what I wanted to find.
Kung Fu Panda 2 Full Movie (Gast) - 29. Jan, 07:50
Berlin
Sie reden viel und fehlerhaft dank deformierter Kehle. Sie...
evakoeppen - 20. Mai, 00:58
Letzte Runde
Boing! Der Schlag zur letzten Runde in New York klingt...
evakoeppen - 31. Mär, 01:44
von wegen...
...eva, du kommst jawohl schön brav nach hause. und...
caro (Gast) - 25. Mär, 05:29
Sag mal olle (thanks...
Sag mal olle (thanks for reading my essay, by theway.....
Florian Schmitz (Gast) - 20. Mär, 19:36

Die Mitbewohnerin in der Ferne

Suche

 

Status

Online seit 5641 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Jan, 07:50

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren