Sonntag, 14. Dezember 2008

Last Nite

Gestern nacht recht betrunken im "Gorki" am Rosenthaler Platz.
Mit den beiden Typen am Nachbartisch unterhält man sich über Gott, die Welt, Buback, Genscher, die Geartetheit der Stahlkonstruktion des WTC. Dann geht es um Koinzidenzen, kleine und große. Da hat ja jeder was beizusteuern. So wir alle auch. Wollte mir alle Stories merken, habe ich aber nicht (der Zenit jeglicher Gedächtnishöchstleistung ist übertreten). Ich mag ja Zufallsgeschichten. Decken die mythische Grundstruktur unserer rationalen Oberflächenwahrnehmung auf.
Also hier erstmal eine Koinzidenz.
Der Typ war auf einer Party Nähe Mexikoplatz, also en el culo del mundo. Mitten in der Nacht beschloss er zu gehen, die Feier war vorbei. Ein Freund wollte ihn im Auto seiner Eltern mit nach Hause nehmen. Dummerweise fiel besagtem Freund, nachdem er das Auto geöffnet hatte, der Schlüssel aus der Hosentasche - und in den Gulli hinein.
Glückskinder die sie waren, fand sich im Auto ein Brecheisen! Sie hebelten den Gulli auf. Doch der Schlüssel lag zu tief. Sie sahen ihn, aber kamen nicht dran. Was tun?
Wie man weiß, ist der Mexikoplatz nachts menschenleer. Dennoch kam ein Auto vorbei, das auch noch anhielt.
Die beiden Jungs erzählten dem wenig erstaunten Autofahrer ihr Problem. Dieser tat einen Griff in das Handschuhfach und holte - was heraus? Genau, einen Magnet mit einer Schnur daran.
Ihm war auch schon mal Ähnliches passiert und führte seitdem diese Konstruktion stets mit sich.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Typ mit Locken

Winter in Berlin -> es ist "hell" von 11 bis 15 Uhr --> hässliche, frierende Menschen hasten wütend und kaputt durch die Straßen -> Matschepampe statt Schnee --> viel Alkohol --> kommt man aus dem Club denkt man es ist Nacht, dabei ist der Folgetag schon angebrochen und auf ewig verloren.
Man kennt die Litanei, sie hat große Tradition. Kein Mensch, der in Berlin wohnt und ab und an schreibt, hat ihn bisher unerwähnt gelassen, den Berliner Winter.
Gerne und wintergefrustet möchte ich in die selbe Kerbe hauen und ein weiteres Teilchen zum tristen Mosaik hinzufügen: Die Aggression durch U-Bahnfahren. Sie beschleunigt das Abnehmen der Lebensqualität und das Zunehmen der Misanthropie im Winter nämlich noch um ein Vielfaches.
Auch im Sommer ist sie latent vorhanden, doch im Winter bricht sie vollständig durch und erblüht in vollster, heißglütiger Pracht. Das Eingepferchtsein im Viehwaggon im Sommer ist nicht so schlimm. Es ist heiß, man öffnet die Fenster, es saust und braust, es herrscht gute Laune.
Während des Winters aber wird man zu kuschelnder Interaktion mit den vielen frierenden Menschen gezwungen, die binnen Minuten zu schwitzenden Menschen werden, weil sie soviel anhaben, aber auch nichts ausziehen können, weil es so eng ist. Sie zerren und zuppeln ein wenig an den Reissverschlüssen ihrer Anorake (Anoraken? Anoraki?) und Mäntel, rempeln dabei den nebenstehenden Kaffeetrinker an, dem das Gebräu aus dem Styroporbecher schwappt, oder versuchen an kratzigen Wollshawls herumzerren, um dem geschwollenen Hals und der gereizten Haut Erleichterung zu verschaffen.
Mit der anderen Hand angeln sie nach dem aufgeweichten Taschentuch in den Tiefen ihrer bonbonpapierknisternden Jackentasche und schnauben die triefende (weil Wechsel von kalt nach warm) Nase, während Nachbars Bier- oder Dönerwolke sie zart und doch fordernd umhüllt. Überhaupt, Bier: Es wird früher dunkel, kann man früher trinken, muss man auch in der Ubahn machen, geht nicht zuhause oder auf dem Bahnsteig.
Und der obligatorische, nass gewordene Hund, welcher der ganzen U-Bahn-Misere zu Füßen liegt, müffelt auf seine hündische Art vor sich hin und stößt mit der freudig emporgereckten Sabberschnauze an Knie, die zu eng stehen um ausweichen zu können.

Nun kommt der Typ mit den Locken ins Spiel, wie in der Überschrift angekündigt. Ihn habe ich NICHT an einem solchen Winterabend in der U-Bahn gesehen! Als ich ihn traf, war das Winter-Unheil noch nicht losgebrochen. Es ward angenehmer Herbst, vielleicht sogar Altweibersommer. Es war nicht zu kalt und nicht zu warm im Waggon, kein Bier- oder Hundeatem verpestete die Luft.
Was ich sagen will: Man hätte vollkommen ausgeglichen sein können, hätte nicht ER die Bahn betreten.

Er war klein (naja was ich als klein bezeichne, um die 1,75), etwas gedrungen und hatte krauses, sehr langes Haar, das ihm in gegelten Löckchen die Schultern herabfiel. Seine großen blauen Augen und der breite Grübchenmund waren ganz schön, aber die Haare allein machten dies Positive zunichte. Was tat er? Er belaberte, berieselte, bequatschte seinen Gesprächspartner. Falsch: Er quälte ihn, und damit die ganze U-Bahn. Er war eine Nervensäge. Die Stimme quäkig, nasal und laut, die Inhalte hirnzersetzend und wirklich leider peinlich (er sprach auf englisch über die anstehende US-Wahl) ohne einen Hauch von Feingefühl für die Schmerzgrenzen anderer.
Zusammenfassung: Es war kein Berliner Winterabend, ich war entspannt, und dennoch brachte der Typ mit den Locken mich auf die Palme.

Wegen dieses starken Eindrucks, den er auf mich gemacht hatte, erkannte ich ihn wohl auch sogleich wieder, als ich ihn im Fernsehen sah. Ich sah (rein zufällig oder aber aus investigativen Gründen) gerade Unterschichts-TV, nämlich eine "Reportage" über das "Supertalent 08". Es ging um die Frage, ob es für Yoyo und (ich habe ihren Namen vergessen) nicht schädlich sei, in so frühen Jahren soviel Erfolg zu haben. Tja, und dann kam er ins Bild marschiert.
Er ist jetzt 17, aber seit seinem 4 Lebensjahr war er ein Piano-Wunderkind. Marc Friedhöfer oder so. Ich habe den Namen vergessen, da nutzte alle Google-Assoziation nichts.
Von klein auf war er nie so pro soziale Beziehungen, sondern eher für's Klavier. Wirklich haarsträubend, die Aufnahmen von ihm als 9-jähriger, wie er ganz erwachsen davon spricht, dass er nun einmal anders sei als die anderen Kinder und dass das Klavier unterm Strich immer vorzuziehen sei.
Nach dieser Sendung war ich wieder schlauer.

Diotima sagt

"Wie die jungen Fechter fielst du zu rasch aus, ehe noch dein Ziel gewiss und deine Faust gewandt war, und weil du, wie natürlich, mehr getroffen wurdest, als du trafst, so wurdest du scheu und zweifeltest an allem; denn du bist so empfindlich, als du heftig bist. Aber dadurch ist nichts verloren. Wäre dein Gemüt und deine Tätigkeit so frühe reif geworden, so wäre dein Geist nicht, was er ist; du wärst der denkende Mensch nicht, wärst du nicht der leidende, der gärende Mensch gewesen."

Hölderlin, Hyperion

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Super-Nanny

Es ist nicht unbedenklich, dass einige wenige Fernsehmacher und eine Diplom-Pädagogin dem Rest der Menschheit vorschreiben wollen, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. Noch weniger gut ist es, dass diese privaten Dramen Millionen von Zuschauern zugänglich gemacht werden, die sich dann am Leid anderer ergötzen können.

Und dennoch. Aus welcher Logik heraus auch immer dies geschehen mag: Einige Menschen können und wollen sich nur helfen lassen, wenn eine Kamera bei ihnen im Wohnzimmer steht.
Der Weg zur RTL-Redaktion scheint ihnen unbeschwerlicher zu sein als der zum Jugendamt.
Bei der letzten Sendung, die zum Politikum expandierte, wurde mir allerdings klar, dass die RTL-Redaktion in vielen Fällen die letzte Instanz ist, durch welche Menschen die Hilfe erfahren, die ihnen von staatlichen Einrichtungen verweigert wird.

Die Sendung, auf die ich mich beziehe, ist wirklich harte Kost. Mir hat sie den Sonntag Nachmittag verdorben. Man findet sie (noch) auf RTL, aber die Mutter ist solch einem öffentlichen Hass ausgesetzt, dass sie die Folge wohl entfernen werden. Zur Not und wenn man unbedingt will, findet man sie bestimmt bei Youtube unter "Justin Nanny".

Manche mögen sagen, die Sendung sei getürkt. Das würde bedeuten, dass ein Produzent zu Mutter Jutta sagen müsste: "Verklopp mal schön deinen Jungen, wir geben dir 2000 Euro". Meines Erachtens ist das eine lächerliche Mutmaßung. Der Sender würde sich strafbar machen.
Es ist darüber hinaus leider durchaus denkbar, dass eine Mutter eine geistige Störung aufweist und beginnt, ihr Kind zu hassen. Es ist wirklich furchtbar, aber denkbar.
Was hingegen nicht denkbar ist, ist Folgendes. Die Mutter weiß in ihren klaren Momenten, was sie ihrem Sohn (der übrigens unglaublich lieb und goldig ist) da antut, und will sich helfen lassen.
Und nun kommt der Punkt, auf den ich hinauswill: Ungefähr bei Minute 30 ruft sie das Amt an und bekommt trotz Dringlichkeit nur einen Termin für nächste Woche. Sie betont, dass es wirklich dringend sei. Sie sagt wörtlich, dass sie nicht so lange warten kann, weil sonst etwas passieren könnte, etwas weitaus Schlimmeres. Und wenn es zu spät sei, würde man sie belangen, weil sie sich keine Hilfe geholt habe. Sie sagt diesem Sachbearbeiter ins Gesicht, dass sie nicht dafür garantieren kann, dass sie ihren Sohn auf das Übelste misshandelt, wenn nicht SOFORT etwas geschieht. Und bekommt dennoch keinen Termin.

Durch RTL konnte vom einen auf den anderen Tag eine Pflegefamilie gefunden werden. Ich will nicht zu pathetisch klingen, aber man kann fast davon ausgehen, dass dieses vielkritisierte Sendeformat das Leben eines kleinen Jungen gerettet hat.
Was die Geschichte über die Kompetenz von Sozial- und Jugendämtern aussagt, lasse ich nun einmal unkommentiert im Raum stehen.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Genie und Masse: Supertalent 08

Ich möchte im Folgenden etwas über "Deutschlands Supertalent" schreiben, weil ich denke, dass sich einiges aus diesem Sendeformat ableiten lässt. Dieses noble Vorhaben darf nicht vertuschen, dass ich viel zu oft "gute" Sender wie arte oder Phönix zugunsten von RTL und Sat1 verschmähe.
Nicht viel Fernsehen schaue ich, aber wenn, dann nur das Schlechteste vom Schlechten. Ich habe eine Neigung zum sog. Unterschichts-TV.
Der Begriff ist unglücklich gewählt, da nicht nur Deutschlands soziale "Unterschicht" diesen Sendungen frönt. Ich zum Beispiel kucke sie auch, und bin, laut dem neuen Titel meiner Universität, "Elite" und nicht "Unterschicht". Aber wie auch immer es um die begriffliche Klarheit bestellt sein mag, jeder weiß, was mit Unterschichts-TV gemeint ist.
Billige Shows auf MTV, Casting-Shows, Volkserziehungssendungen: Sie beglücken mich nach einem langen, stillen Tag über den Büchern, der angefüllt ist mit dem Rauschen der vielen nutzlosen Worte und der bibliothekären Klimaanlage.
Manchmal aber nehme ich das U-Fernsehen (und soviel muss zur Erhaltung meiner Würde gesagt werden) auch als einen Untersuchungsgegenstand wahr.
Eine diesbezügliche Referenz ist Siegfried Kracauer, der in "Das Ornament der Masse" die um 1900 sehr populären "Tillergirls" zum Gegenstand seiner soziologischen Betrachtungen macht. Die Bewegungsabläufe dieser präzise gleichförmig tanzenden Gruppe wurden ihm zum Spiegelbild der Masse, zum Massenornament. Ohne hier weiter auf Kracauer einzugehen lautet die relevante Grundmessage: Fakten und Wissenswertes über die Konstitution und Struktur der "Masse" (des Großteils des Volkes)lassen sich anhand ästhetischer Reflexe ablesen. Bezogen auf das Fernsehen heißt das: Man muss auf die Massenmedien schauen, um etwas über die Masse aussagen zu können.

Nun zum "Superstar".
Es ist den Menschen wichtig, nicht nur Teil der Masse, nicht nur ein Bein im Körper der "Tillergirls" zu sein. Eine Möglichkeit, etwas Herausragendes zu sein, ein Star, etwas Besonderes, wird vor allem durch das Internet geboten. Gerade Youtube rückt die Erfüllung des Traumes von weltweiter Berühmtheit in greifbare Nähe. Plötzlich wird man für einige Tage auf der ganzen Welt zum Tagesgespräch, weil man mit seinem Video einen Nerv getroffen hat. Das Gute daran: Diese Dynamik gehorcht (größtenteils) nicht den Gesetzen des Marktes, aber das ist ein anderes Thema und soll an anderer Stelle behandelt werden.

Das Fernsehen reitet natürlich auf dieser Welle mit, weswegen das Programm geflutet wird von Sendeformaten über "ganz normale Leute", Reality-Soaps und eben vor allen Dingen Casting-Shows. Diese beinhalten das größte Heilsversprechen des Fernsehens überhaupt. Jeder kann ein Star sein, lautet die Nachricht, und wenn er kein Talent hat, so wird er wenigstens von der Bild-Zeitung am nächsten Tag verwurstet.

Ich möchte nicht zu kulturpessimistisch klingen. Aber es ist offensichtlich kein langwährender Star-Status, den die Kandidaten genießen. Das zeigt die traurige Empirie. Insofern hat man es hier auf der ganzen Linie mit einem Vortäuschen zu tun: Die "Expertenmeinungen" von Bohlen und Co. werden vorgetäuscht, wie auch der Starrummel, der Fame.
Zusammenfassend kann man sagen, es ist schön, dass das Fernsehen verspricht: "Auch DU, Müllers Lieschen, kannst ein Star sein!" Allein, es ist ein falsches Versprechen. Es wird nicht eingehalten. Das Individuum fällt nach 3 Sekunden Weltruhm in die Masse zurück und ist wieder was es war, ein gesichtsloses Rädchen in der großen Maschinerie (klingt mega-marxistisch, weiß aber nicht, wie ich es anders formulieren soll).

Kommen wir endlich zum Thema! Also, "Superstar".
Kontext: Es ist kurz vor Weihnachten, die Finanzkrise streckt ihre garstigen Finger nach den Menschen aus, die ersten Jobkündigungen flattern in die Privathaushalte. Die Grundstimmung ist ungut, man hat Angst.
Da wird einem von "Superstar" suggeriert, dass man es nach wie vor zu etwas bringen kann, und zwar ausnahmslos jeder. Um die Pluralität der Chancengleichheit zu unterstreichen, wird im Finale das volle Programm aufgefahren. Da haben wir: den HIV-infizierten schwulen Opern-Sänger, den unzulänglich deutsch sprechenden Araber, den Hartz VI-Empfänger, die singenden Kinder, die alle mindestens ein Elternteil mit Migrationshintergrund besitzen.
Niemand kann mir erzählen, dass die Anrufer (die 2 Euro pro Minute zahlen) über diese Konstellation entschieden haben. Genauso wenig kann einer behaupten, dass nicht schon vorher feststand, dass Michael Hirte gewinnt (sein finales Konzert war definitiv einstudiert).
Und Bohlen freute sich wie ein Kind über das dicke Weihnachtsgeschäft, dass er mit Hirte (Hirte!!) einkassiert. Schließlich war die CD des "Mannes mit der Mundharmonika" schon 5 Tage später im Handel erhältlich.
Immer wieder wird während der Sendung vom Moderator betont, dass Hirte ein Mann von "ganz unten" sei. Und am Ende macht der Straßenmusiker mit Offenbarungseid das Rennen und das große Geld.
Somit ist diese Show Sozialkitsch der übelsten Sorte, ABER sie ist auch ein Spiegel unserer Gesellschaft, die tatsächlich so tolerant ist, dass Araber, Schwule und humpelnde Hartz-Vierer ins Finale kommen.
Problematisch ist der "götterlose mythologische Kultus" (Kracauer), dem in diesen Sendungen gehuldigt wird. Ich erinnere mich, dass einer der Kandidaten Dieter Bohlen ein "Ich liebe dich" von der Bühne her zuhauchte. Bohlen als Entscheidungsgewalt über "marktwerttauglich" oder nicht zäumt den Begriff des Geniekultes von hinten auf: Das Genie entwickelt sich nicht aus sich selbst heraus, sondern wird gemacht, fast schon industriell gefertigt.

In etwa denke ich folgendes: Nachdem die Masse erkannt worden war, und der Mensch in ihr immer mehr als seelenloser Körper mit ihr verschmolz, wurde ihr mit den Massenmedien im 20. Jahrhundert ein Spiegel vorgehalten. Mit diesem Blick kam auch das Bedürfnis nach Hervorhebung aus der Masse zurück, aber diese Hervorhebung wird von den Massenmedien produziert und gehorcht den schnellen Regeln des Marktes. Es entsteht ein Missverständnis, und zwar, dass es etwas Besonderes sei, im „Supertalent“ mitzumachen, dass es eine Kunst sei, dass es einen dauerhaft glücklich mache.
Dabei wird man, wie im Falle der Finalisten, nur von den Fernsehmachern eingespannt, um dem Volke kurz vor Weihnachten ein Gefühl sentimentaler Emotionalität zu verleihen.


Nachtrag: Nun, wo Michael Hirte kein ALG II mehr kriegt, wird er vor den BILD-Karren gespannt, der ihn zum Vorzeigearbeitslosen macht: Seht her, er verzichtet freiwillig auf staatliche Unterstützung! Nehmt euch ein Vorbild, ihr arbeitslosen Würmer dort draußen. Kein Wort davon, dass er auf die Gelder verzichten muss, bei dem Preisgeld. Lächerlich, meint auch Roberto de Lapuente.

Montag, 8. Dezember 2008

EEG

Es ist schon ein Witz. Wir haben diese krigeligen Linien auf einem weißen Untergrund, und das sind unsere Hirnströme. Erfasst von ein paar auf den Kopf geklebten Elektroden, die durch das Gewirr von Haaren, Haut, Knochen und Gewebe hindurch das messen sollen, was im Inneren unseres Kopfes rumort.
Zu dem wahnwitzigen Versuchsaufbau kommen diverse Unzulänglichkeiten im selbigen, Fehler seitens der Versuchsperson, Ablenkungserscheinungen, die nicht zu Experiment gehören und ein stillschweigend hingenommenes Pi-mal-Daumen was allein das Aufsetzen der Haube betrifft.
Das Hirn wurde als kleiner Meister in uns ausgemacht, wir behandeln es auch so und reden auf diese Art von ihm.
Ich möchte einmal ganz nah bei ihm sein, in seine (durchgestrichen: rosa Wellen) beige Schweinswürste geschmiegt, ich würde eintauchen in die Zuckerwatte seines Gewebes und dann hätte ich sie vor mir, sie schössen durch mich hindurch wie Irrlichter, sie umkreisten mich und flitzten dann weiter ihrer Wege, gingen ihrer unwiderbringlichen Bestimmung nach: Die elektrischen Ströme.
Ich würde sehen, wo sie ihren Anfang nehmen, mit ihnen mitschwimmen wir mit Delphinen, würde ihren Ursprung entdecken, andocken, es wäre eine dunkle Höhle erhellt von Blitzen, es wäre ein ständiges Rauschen und Summen, ein Kommen und Gehen, ein Universum ohne Qualitäten, nur mit Quantitäten, in dem jede Wertigkeit verfällt zu Staub.
Aus Sternenstaub sind wir alle gemacht, und zu Sternenstaub werden wir, die Urteilchen. Und in unseren dunklen Hirnhöhlen schießen die elektrischen Ladungen umher wie fallende Sternschnuppen, es ist ein nach innen gerichtetes Universum, in dem nach Außen hin alles verhallt, je tiefer man vordringt, auf der Suche nach den Kausalitäten, warum hängen die Sterne dort am Firmament warum fallen sie ab und zu und warum lassen sich die Sterne in unserem Kopf von so Manchem verändern und von Manchem nicht.
Gleichgültigkeit zeichnet sie aus, warum leuchten sie: Sie wissen es nicht, und warum sollten die Dinge, die aus ihnen bestehen, es besser wissen können.

Und noch einmal tolle Worte

Me dijo la tendera ayer: sonrie y limpia las penas
que lo que hay entre los pasos que tu planeas
ahi va una vida entera

Macaco, Giratuto

Tolle Worte von tollen Typen

"Die Fähigkeit, noch im Augenblick der Gefahr über Kleinigkeiten staunen zu können, diese Randbemerkungen des Geistes, die Foßnoten im Buch des Lebens, sind die höchsten Formen des Bewusstseins, und in diesem kindlich spekulierenden, vom Alltagsverstand und seiner Logik ganz verschiedenen Bewusstseinszustand wissen wir, die Welt ist gut."

Nabokov

Wechselstube

... ist ein schönes, ein niedliches Wort!

Der rote Teppich

Ich habe letztens, wohl mit einiger Verspätung, die "Le monde diplomatique" für mich entdeckt. Wunderbarerweise gibt es sie auch im Internet und somit nicht nur als Beilage der taz.
Am besten gefallen hat mir der Artikel "Der rote Teppich" von Juan Villoro. Es geht im weitesten Sinne um die Psychologie des Drogenhandels in Mexiko, im Subtext aber auch um die Mentalität und Lebensweise in einem Land, das von krimineller Brutalität durchzogen ist. Der Text ist kurz, dicht, realitätsnah - und schafft es trotzdem, Anleihen bei Philosophie und Popkultur zu machen, ohne gewollt intellektuell zu wirken.
Eine besondere Stelle zitiere ich mal:
Die Kartelle wenden die Gesetze des Blutes an, wie Kafka sie in der Erzählung "In der Strafkolonie" beschreibt. Das Opfer erfährt nicht, welches Urteil gesprochen wurde: "Es wäre absurd, es ihm mitzuteilen, da es ihm mit der Egge auf den Leib geschrieben wird." Der "Narco" (Drogenhändler) benutzt die Sprache der Grausamkeit, bei der die Wunden die Verurteilung des Opfers nachzeichnen und zugleich eine Drohung gegen die Zeugen sind.
Das ius sanguinis (Blutrecht) der Drogenbosse kommt durch eine kafkaeske Umkehrung des gerichtlichen Verfahrens zustande: Das Urteil steht nicht am Ende, sondern am Anfang eines Prozesses; es kündigt an, dass andere zur Rechenschaft gezogen werden können. "Wenn du kein Blut fließen lässt, kann das Gesetz nicht gedeutet werden", schreibt Lyotard über "In der Strafkolonie". Das ist auch das implizite Motto des organisierten Verbrechens. Dessen Aussage ist eindeutig - während das andere Gesetz, nämlich "unseres", verschwommen bleibt.

Drei Grammophone

Von allen Institutionen befreites, hemmungsloses Assoziieren.

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Very nice article, exactly what I wanted to find.
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Die Mitbewohnerin in der Ferne

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