Seoul

Es geht los, ich habe meine Rolle als Auslandskorrespondent angetreten!
Die deutsche Bahn bescherte mir noch einen sechsstündigen Adrenalinflash, bevor ich endlich neben Muttern im Flieger nach Seoul saß. In Spandau hatte es nämlich einen Personenschaden gegeben, weshalb der Zug einen Umweg nehmen musste, der uns fast 2 Stunden kostete. In Göttingen schmiss mich die mütterliche und Kette rauchende Schaffnerin mit den Worten „nehmen Sie den anderen Zug, vielleicht schafft der’s noch, ansonsten Frohe Weihnachten“ raus. Ich wusste bis zum Boarding nicht, ob ich es noch schaffe, weshalb die von mir geplante urgemütliche Bahnfahrt durch Deutschland im Winter mehr einer hysterischen Achterbahn der Gefühle glich.

Ist auch wurscht, es hat ja geklappt und die Deutsche Bahn ist nun einmal, wie sie ist. Im Flieger nach Seoul gab es schöne Wham und Mariah Carey-Musik zum einstimmen. Dazu niedliche, feengleiche Stewardessen, deren englisch vollkommen unverständlich war („yu äv spesche mi?“ Wer errät, was es heißt, bekommt von mir das, was es heißt) und eine Sitznachbarin, die echte Hessin war und ähnliche Hände hatte wie ich, aber mir Miris Daumen.
Dann las ich die Hälfte von Carlos Ruiz Zafóns „Das Spiel des Engels“, weil mein Mitbewohner es mir empfahl, weil ich den hohen Unterhaltungswert von „Im Schatten des Windes“ noch in Erinnerung hatte und weil ich nach dem ganzen Prüfungsstress endlich mal wieder ein Buch nur zum Vergnügen lesen wollte. Ich finde es aber leider gar nicht so spannend. Es ist eine Geschichte, die so viele klischeehafte Literaturstereotype (Personen als auch Themen) und philosophische Gemeinplätze verwurstet, dass es schwer fällt, den Roman ernst zu nehmen. Ich zucke echt zusammen bei den ganzen Teufelsadvokaten und dekadenten Spukschloss-Motiven einerseits und dem ewig weiblichen Gütigen und dem für’s Böse anfällige Schriftsteller andererseits. Und dass die Religion mehr einer großen Erzählung gleicht, die zum Überleben der Gattung Mensch (teilweise) beiträgt, als einer absolut wahren Theorie über den Ursprung des Menschen und der Welt – nu ja, ne. Der Zafón erfindet das Rad nicht neu. Die Charaktere bleiben sehr flach, ohne jeden Tiefgang. Das könnte auch dem märchenhaften Zug des Buches geschuldet sein, aber dazu liest es sich zu stark wie das Werk eines Autors, der die Rohfassung für eine Action- und Liebesszenenhaltige Hollywoodverfilmung schon mitliefert.

Ein Magister-Satz: Ich lese es trotzdem zu Ende, diesen 700-Seiten-Klopper und bei dem Grad der Komplexität wird mir das wohl bis Sydney gelingen.
Gerade sitze ich in Seoul am Flughafen und mir brennt der Mund weg: Chicken Mc Nuggets und der Mc Chicken sind hier superscharf. Von wegen Globalisierung und alles schmeckt immer gleich. Der Flughafen selber aber ist wie jeder andere Flughafen auf der Welt auch. Bis auf die irritierenden, als Weihnachtsmänner verkleideten Koreaner überall (sind das nicht Buddhisten? Machen die den ganen Christen-Schnickschnack nur für uns West-Touris?), die „Me-ii Kistmes!“ schreien, oder die Bühne vorhin auf der eine Teenieband auftrat und all die Asiaten, die von dem ganzen Klamauk Fotos machen und doch tatsächlich durchgehend mit dem Victory-Zeichen posieren. Zieht man das alles ab, könnte man auch in Frankfurt sein, oder Madrid Barajas, oder Dubai.

Weil wir hier einige Stunden Zeit haben, wurde ich vom mütterlichen Feldwebel gezwungen, nach draußen zu gehen (ein Riesenbürokratieakt). Ich erwartete 30 Grad, doch leider war es kälter als in Deutschland. Dennoch ließ sich Oberstabsgeneral Mutter nicht von einer gefährlichen Exkursion zu einem Tempel abbringen („Ist doch umsonst!“). So wurden wir also zu einem baufälligen Buddha-Schuppen mit Glocke und Fruchtbarkeitsbrunnen gekarrt und ich habe einen echten Eindruck von der koreanischen Seele gewonnen. Sie wirkt auf mich zutiefst verstörend. Ich glaube, diese Menschen haben keine Freude am Leben. Weiß nicht, wie ich darauf kam, aber ich dachte es die ganze Zeit, als wir über die trostlose Flughafen-Insel ruckelten, die einer riesigen Baustelle gleicht. Am Horizont ragte Seoul gen Himmel, und diese komische schiefe, superlange Brücke krakelte sich über eine von der Ebbe leer gesogene morastige Kraterlandschaft vom Festland bis hin zu unserer Flughafeninsel, und ich konnte keine Autos auf ihr entdecken.
kptn - 25. Dez, 21:40

Gibt man ihr den kleinen Finger

Jaja, der Daumen, was soll ich sagen -- halb gerührt, dass du hoch über der Erde an den Spinner (und somit jawohl auch an die versehentlich daranhängenden Person) denkst, und halb überschäumend vor Erbostheit: erstens gibt's den nur ein Mal und zweitens, was soll denn bitte so schlimm an dem Freundchen sein, hää??
Ach, ick herz dir. dein käptn

juls (Gast) - 2. Jan, 08:14

ich weiß es ich weiß es! und möchte von dir haben: ein special meal. spezielles mahl also. was wird es sein? süpeis!

evakoeppen - 3. Jan, 07:52

der pokal

der pokal in diesem raetselwettbewerb geht an juls! somit koche ich dir in NY ein "spe-sche mell", wenn ich dich besuche. oh frrreude!
caro (Gast) - 17. Jan, 05:15

das ist gemein!

da stand nirgends etwas von einem einsendeschluss. und wo ich doch quasi jahrelange erfahrung als thresenschlampe einer hostel-bar habe, war es fuer mich ein leichtes, die richtige loesung zu erraten. und es waere ja schon fast faschistisch, mich nur aufgrund der tatsache auszuschliessen, dass ich mitten im ecuadorianischen dschungel sitze und dort verdammt nochmal keinen internetzugang habe.
freundlichst
caro (auf quichua auch auto, dann allerdings mit einem doppelten r)

Drei Grammophone

Von allen Institutionen befreites, hemmungsloses Assoziieren.

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